Eisenglanz

Nachwort nach einem Jahr

Dieses Buch ist aus einer Sehnsucht und leise aufsteigendem Neid entstanden.

Auf Reisen durch England bin ich an Hügeln vorbeigekommen, die "Arthur's Seat" hießen, und an Wäldchen namens "Robin Hood's Bower". Die Legenden lebten in der Landschaft, die frühmittelalterliche Geschichte war um mich. Offa's Dyke stand noch, ich folgte ihm tagelang.

Zuhause in Bayern hingegen fand ich kaum eine Verbindung zur Zeit der Legenden, als die mir das Frühmittelalter erschien. Immerhin, eine Tassilolinde gab es. Ich begann, mich einzulesen.

Die ersten Eindrücke vermittelte mir Brigitte Haas-Gebauer. Wilhelm Störmer und Kurt Reindel brachten mir die politischen Enwicklungen des achten Jahrhunderts näher. Herwig Wolfram prägte meinen Blick auf Tassilo als Persönlichkeit. Stefan Sonderegger führte mich in die Grundlagen des Althochdeutschen ein, die ich durch Nachschlagen in Gerhard Köblers Wörterbuch ergänzte.

Hubertus Luttenbach stellte mir den Erzbischof Bonifazius vor. Bei Roman Deutinger fand ich das Baiuwarenrecht erklärt. Alten Ausgaben der Zeitschrift Amperland entnahm ich Einzelheiten zu Gerichtsplätzen und dem Verlauf der frühmittelalterlichen Straßen. Einen Eindruck vom Alltag bekam ich im Freilichtlabor Lauresham des Klosters Lorsch und im Baiuwarenhof Kirchheim, dessen Jahresschriften mir unschätzbar weiterhalfen und mich zugleich bestens unterhielten.

All diese Autorinnen und Autoren muss ich für den Fall, dass ihnen Eisenglanz je in die Hände fällt, um Entschuldigung bitten: nicht für die Hilfe, die ich reichlich angenommen, sondern für manche Hinweise, die mir entgangen sind oder die ich gar wissentlich ignoriert habe. Denn Eisenglanz ist kein Tatsachenbericht.

Wie war das achte Jahrhundert? So grausam wie unsere Zeit, ja grausamer. Es gab keine Möglichkeiten, dem Machthunger der Herrschenden Grenzen zu setzen. Wer arm war, konnte nur auf einen fähigen Herrn hoffen, einen Vater, der seine Kinder gut behandelte.

Ich merkte, ganz so, "wie es wirklich war", wollte ich das Frühmittelalter nicht schildern. Freilich, das Ausgeliefertsein der patriarchalischen Gesellschaft, das interessierte mich. Und keinesfalls würde ich das finstere Zeitalter weichzeichnen. Die Fakten durfte ich nicht ignorieren, wollte aber auf ihrer Basis improvisieren. Ich erfand einen Schatz dazu, einen Giftmord. Die Geschichte musste gut sein: nämlich gut ausgedacht.

Ich füllte die Landschaft, die ich mit dem Fahrrad durchfuhr, mit erfundenen Legenden.

Fehlte nur noch ein Tonfall, um sie zu erzählen. Lange hatte ich Frans Bengtssons Roman über den Wikinger Röde Orm bewundert. Der schwedische Historiker stellte sich in die Tradition der Isländersagas und verzichtete lässig auf Innenansichten. Stattdessen kann der Leser den Figuren beim Denken zusehen. Das wollte ich auch versuchen. Als Autor die Gedanken der Menschen einer vergangenen Epoche auszuformulieren, war mir immer als Scharlatanerie erschienen.

Zugleich bemühte ich mich um einen ans Althochdeutsche angenäherten Wortschatz. Ich fand, um dem Leser die Ferne jener Zeit zu vermitteln müssten Pferde Rösser heißen und Frauen Weiber. Einige Wörter, etwa "Übelmänner" für Gesetzlose, dachte ich mir aus.

Wenn ich jetzt über die Hügel zwischen Isar und Lech, zwischen Ilm und Paar radle, treffe ich allenorts Bekannte. Nicht Königin Ginevra und Robin Hood, nein, bescheidenere Leute wie die Magd Ula und den Räuber Filipert. Ich gebe zu, ich bin gern in ihrer Gesellschaft. Ich kann nur hoffen, dass es einigen Leserinnen und Lesern ähnlich geht.

Florian Kalenda, 2022

Messer